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Von null auf hundert

Im Corona-Jahr 2020 eröffneten Anita und Thorsten Steidle ihren Hofladen. Sie haben viel gewagt und den Betrieb nach ihren Vorstellungen umgestaltet.

HOFdirekt
Marion Fröhlich

Mit klaren Zielen übernahmen Thorsten und Anita Steidle vor sechs Jahren den elterlichen Hof. „Wir wollten unseren Betrieb so umrüsten, dass mindestens eine Vollzeitarbeitskraft davon leben kann“, blicken der Agraringenieur und die Ingenieurin für Ernährungs- und Versorgungsmanagement zurück. Außerdem wollten sie möglichst wenig von ihren Erzeugnissen an den Großhandel oder die Industrie abgeben müssen. Das führte zu der Überlegung, die Direktvermarktung auszubauen. Einen kleinen Hofladen, überwiegend zur Vermarktung der hofeigenen Kartoffeln, hatten die Eltern von Thorsten Steidle bereits seit 1999 betrieben.

Zur Vorbereitung besuchte Anita Steidle ab 2016 eine Reihe von Direktvermarkter-Kursen. 2017 zogen die ersten 250 Legehennen in ein umgebautes Stallgebäude. Mittlerweile ist die Hühnerschar auf 450 Legehennen angewachsen. Die Tiere haben viel Platz. Sie können in ihrem Wellness-Auslauf in Stroh und Sand baden, scharren und picken. Zusätzlich werden sie mit Leckereien wie Kartoffeln, Karotten oder frischem Gras verwöhnt. Vorher wurden die Eier zugekauft, jetzt kommen sie aus der eigenen Haltung. „Auf diese Weise vervielfachte sich der Absatz und wir können alle Eier direkt vermarkten“, beschreibt die Direktvermarkterin den gelungenen Einstieg. Parallel dazu gestaltete Thorsten Steidle auch den Ackerbau auf gut 25 ha um: Neben Kartoffeln, Zuckerrüben, Weizen und Mais werden nun auch Sojabohnen, Raps sowie Gerste angebaut. „Damit erzeugen wir jede Komponente unseres Tierfutters selbst“, stellt der 41-jährige Betriebsleiter fest. Etwa alle zwei Monate kommt eine mobile Mahl- und Mischanlage auf den Hof, die das Tierfutter direkt vor Ort quetscht, mahlt und vermischt. Zeitgleich mit den Legehennen stiegen Steidles auch in die Hähnchenhaltung ein. Das Paar wollte selbst wieder Hähnchenfleisch wie in früheren Zeiten essen – fest, zart, mit bestem Eigengeschmack. Der Startschuss erfolgte mit zehn Hähnchen. Bei den Kunden kamen die so gut an, dass Steidles die Hähnchenhaltung schnell ausbauten. Zunächst lebten die Tiere in einem umfunktionierten Schweinestall, aber für die Direktvermarkter stand fest: Die Hähnchen müssen im Freiland gehalten werden. Dazu ist jetzt ein Mobilstall im Einsatz. Angefangen wurde mit bis zu 100 Tieren pro Durchgang und vier bis fünf Durchgängen pro Jahr. „Jedes Mal waren sämtliche Hähnchen ausverkauft“, informiert die Direktvermarkterin. Inzwischen ist die Zahl auf 200 Tiere pro Durchgang angewachsen. Die Hähnchen werden zur Schlachtung mit einem Viehanhänger in einen Schlachthof transportiert und mit einem Kühlbus abgeholt. Während zuerst nur ganze Schlachtkörper verkauft wurden, gibt es seit der Ladeneröffnung ganze und halbe Hähnchen sowie Teilstücke an der Bedientheke. „Dieser Zweig läuft gut und soll weiter ausgebaut werden“, verrät Anita Steidle.

Auf 6 ha baut Thorsten Steidle aktuell Speise- und Stärkekartoffeln an. Frühkartoffeln sind ab Anfang Juni bis Mitte August im Angebot. Die Maschinenhalle wurde zur isolierten Kartoffellagerhalle umfunktioniert, so dass es das ganze Jahr eigene Ware gibt. Im Laden finden die Kunden die Kartoffeln in 2,5-kg- und 5-kg-Papiertüten und 12,5-kg-Säcken. Die kleinen „Drillinge“ gibt es in einer 1-kg-Kartoffel-Box. Momentan erfolgt das Abpacken noch per Hand.

Neuer Hofladen


Der Grundstock an eigenen Produkten war gelegt – jetzt fehlte nur noch der passende Verkaufsraum. Der neu gestaltete, 90 m2 große Laden öffnete im Sommer 2020. Im Innern finden sich Balken und Bretter von einer alten Scheune. Das schafft eine Atmosphäre, in der sich die Kunden wohlfühlen. Das Sortiment umfasst hochwertige, selbsterzeugte und regionale Lebensmittel. Dazu gehört die große Kartoffel-Sortenpalette: die mehlige „Melody“, die vorwiegend festkochenden „Gala“ und „Birgit“ sowie die festkochenden „Ditta“, „Solo“, Annabelle“ und „Bernina“. Zu den Frühkartoffelsorten zählt neben „Annabelle“ noch „Solist“.

„Uns war wichtig, für jeden Zubereitungszweck die passende Kartoffel anzubieten“, erläutert die 38-Jährige. Ihr Anliegen: vor allem junges Publikum anzusprechen und für die Landwirtschaft zu interessieren. „Dazu gehört, nicht alles fertig zu kaufen, sondern Grundnahrungsmittel in den Fokus zu rücken“, verdeutlicht sie. Für den Ladenverkauf besteht eine Kooperation mit einer Mühle. Ein Teil des dorthin gelieferten Getreides (Weizen und Dinkel) kommt als Mehl für die Direktvermarktung zurück. Die komplette Rapsernte geht an eine Ölmühle und wandert zum Teil in Flaschen für den Laden zurück. Zudem werden von den eigenen Eiern insgesamt 14 Nudelsorten in 500-g-Packungen hergestellt. Die Eier schlagen Steidles selbst auf und liefern sie an einen Direktvermarkter-Kollegen, der sich auf die Nudelproduktion spezialisiert hat. Schließlich bietet Anita Steidle im Laden auch ein kleines Sortiment an selbstgemachten Fruchtaufstrichen an – hergestellt aus Obst aus dem eigenen Garten bzw. aus Früchten von der Verwandtschaft und Bekanntschaft. Unterstützt wird die Unternehmerfamilie von den Altenteilern Anton und Helene Steidle und vier 450-€-Teilzeitkräften. Die Lieferanten für die Zukauf-Produkte im Hofladen haben sich die beiden Direktvermarkter bewusst ausgesucht. „Wir kennen alle Lieferanten persönlich und haben sie vor unserer Geschäftsbeziehung besucht“, gibt Anita Steidle Auskunft. So werden Gemüse aus der Region, Dosenwurst, Frischwurst und haltbare Wurst von einer Hofmetzgerei, Käse und Joghurt von einer Landkäserei bezogen – genauso wie Milch sowie A2-Milch und A2 Joghurt. Zwei regionale Mühlen liefern Roggen- und Gelbweizenmehl sowie verschiedene Backmischungen. Neben dem Rapsöl aus eigener Saat beziehen Steidles von der Ölmühle Lein- und Hanföl. Vervollständigt wird das Sortiment mit Honig, verschiedenen Müslis, Saaten, regional geröstetem Kaffee und Bodensee-Obst. Außerdem gibt es eine Unverpackt-Ecke mit den eigenen Erzeugnissen sowie Linsen und Buchweizen. Lammfleisch gibt es immer wieder einmal übers Jahr verteilt, Lammwurst ist ständig an der Theke zu haben. In der Weihnachtszeit waren die Schaffelle der Schäferin aus dem Ort der Renner. Geschenkkörbe zählen inzwischen fest zum Sortiment.

Gelungener Start

Rückblickend zieht Familie Steidle eine positive Bilanz. „Wir sind stolz auf uns und das, was wir auf die Beine gestellt haben“, erklären sie. Besonders froh sind sie, dass sie sich genügend Zeit für eine ordentliche Planung und Kalkulation genommen haben. „Das hat sich gelohnt“, machen sie klar und verweisen etwa auf das überlegte Sortiment und die Überprüfung der Lieferanten. „Wenn das Geschäft so bleibt bzw. wir es noch etwas steigern können, können wir mehr als zufrieden sein“, stellen sie fest. Auch für die Zukunft hat sich die Familie noch einiges vorgenommen. Die Geflügelhaltung soll weiter wachsen. In diesem Jahr halten zum ersten Mal Enten und Gänse Einzug. Mittelfristig denken Steidles über die Haltung von Freilandschweinen nach, um das Fleischsortiment noch auszudehnen. Bereits in vollem Gange ist der Ausbau eines weiteren alten Viehstalls in einen Gastraum. Die Eröffnung ist für den Sommer geplant. Im Hof ist ein kleiner Biergarten angedacht und der ehemalige Heuboden über dem Hofladen soll zu einem Seminarraum ausgebaut werden. Die geplanten Investitionen für Hofladen und Gastronomie beziffern sich auf insgesamt 1,2 Mio. €. „Unser Ziel ist, unseren Betrieb solide aufzustellen – mit den Standbeinen Direktvermarktung und Bauernhof-Gastronomie“, so das Betriebsleiterpaar. 

Betriebsspiegel

Betriebsleiterfamilie
Thorsten Steidle (41), Dipl.-Ing. agr.,in Vollzeit in der Futtermittelbranche tätig, Anita Steidle (38), Ingenieurin für Ernährungs- und Versorgungsmanagement, zwei Kinder Linda (3) und Klara (1), Altenteiler Anton und Helene Steidle

Lage des Betriebs
Zöschlingsweiler (250 Einwohner), Gemeinde Wittislingen, Landkreis Dillingen in Bayern, 6 km nach Dillingen (knapp 20 000 Einwohner), 4 km nach Lauingen (gut 11000 Einwohner)

Landwirtschaft
25 ha Ackerfläche, davon 6 ha Kartoffeln, 450 Legehennen, vier bis fünf Durchgänge à 200 Hähnchen

Produkte
Hähnchen- und Hähnchenteile, Kartoffeln, Eier, Nudeln, Weizen- und Dinkelmehl, Rapsöl, Fruchtaufstriche

Zukauf
breites Zukaufsortiment von persönlich bekannten Lieferanten

Mitarbeiter
vier 450-€-Kräfte

Öffnungszeiten
Donnerstag und Freitag von 9 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr; Samstag von 9 bis 12 Uhr.

www.steidlehof.de